Menschen, Mythen, Mordsgeschichten

15 Opfer: Mörder wird vor 400 Jahren in Rodenberg grausam hingerichtet

Um 1600 herum versetzte der sogenannte Mordmichel am Deister liegenden Ortschaften mit seinen brutalen Diebeszügen in Angst und Schrecken. Er starb auf besonders grausame Weise: Der junge Rademacher wurde gerädert. Ein Blick in die Chronik des Ortes verrät, was sich zugetragen haben soll.

Legenden haben die Menschen schon immer fasziniert. Doch was, wenn sie gar keine Fantasiegespinste sind, sondern sich all die Glanz- und Gräueltaten wirklich ereignet haben? Die SN gehen in dieser Serie der Lokalgeschichte auf den Grund. Die Chroniken erzählen von dunklen Kapiteln und von Menschen, die zum Mythos wurden.

Der Sohn frommer Eltern kommt vom rechten Weg ab

Bevor er vom rechten Weg abkam, lebte Michel Brandt, ein Sohn frommer und ehrenhafter Eltern, in Grove. Er war Rademacher, also jemand, der Räder herstellt. „Michel Brandt war aber ein gottloser, arbeitsscheuer Mensch, welcher wegen seiner Rauflust und Händelssucht allgemein gefürchtet wurde“, schreibt Adolf Mithoff in seiner Chronik.

Schuldig machte sich Brandt wegen Wilddieberei und Wildfischerei. „Schließlich trieb er es so arg, dass er vom Rodenberger Amtmann zu verschiedenen Malen mit Gefängnis, Pranger und Auspeitschung bestraft wurde“, heißt es. Brandt hielt sich daraufhin meist im Deister auf und gab sich vollends der Wilddieberei hin. Förster versuchten, den Missetäter einzukreisen und zu fassen – dabei erschoss Brandt einen und verwundete noch einige andere seiner Widersacher. Um sich der Gefangennahme zu entziehen, suchte er sich tagsüber Schlupfwinkel im Deister. Nachts zog er aus, um zu stehlen und zu rauben.

Schon bald ist Michel Brandt als Mordmichel bekannt

„Gar bald trieb er auch am hellen Tage Straßenraub und wurde ein gefürchteter Raubmörder, welcher meistens seine Opfer aus dem Hinterhalt niederschoss und dann ausplünderte, sodass er allgemein der Mordmichel genannt wurde“, schildert Mithoff.

Um den Schurken zu ergreifen, zogen diverse Male bewaffnete Bürger und über Hundert Bauern aus, heißt es dort weiter. „Aber der schlaue Michel wusste stets, mit größtem Geschick seinen Verfolgern zu entrinnen.“

So konnte der Mordmichel dingfest gemacht werden

Viele Jahre und 15 Morde später konnten sie ihn am 25. März 1609 stellen. Ein Pastor aus Beber, der zwecks medizinischen Eingriffs in Rodenberg weilte, konnte aufgrund von Schmerzen nachts nicht schlafen und wurde auf verdächtige Geräusche aufmerksam. Er entdeckte einen Mann, der gerade dabei war, eine Truhe aufzubrechen. Der Zeuge weckte zwei andere Männer. Gemeinsam wollten sie den Mordmichel überrumpeln und bewaffneten sich zu diesem Zweck. Der Plan ging aber nicht auf: Brandt stach einen der Männer nieder und sprang aus dem Fenster in den Stadtgraben.

Dort half die Natur: Der Boden des Grabens war so schlammig, dass der Mörder kaum vom Fleck kam. Weitere Nachbarn eilten mit Waffen herbei, und der Mordmichel wurde dingfest gemacht. „Der Prozess gegen diesen Übeltäter währte mehrere Wochen, denn erst nach wiederholten furchtbaren Folterungen konnte ihm das Geständnis all seiner Mord- und Raubtaten abgepresst werden“, erläutert der Chronist.

Chronik schildert die Hinrichtung als schauerliches Drama

Die Vollstreckung des Todesurteils wurde auf den 29. Juni 1609 terminiert. Die Richtstätte lag ein kleines Stück nördlich des Bereichs Masch/Grüner Baum, zwischen der schon damals Richtung Nenndorf führenden Allee und der Aue. „Die Hinrichtung nahm nun ihren Verlauf, indem Michel Brandt entfesselt, entkleidet und vom Scharfrichter unter Mithilfe des Henkerknechts auf das neben dem Galgen stehende Rad geflochten wurde“, schreibt Mithoff. Dann wurden ihm die Hände bis zur Verkohlung verbrannt.

Der Beschuldigte wird “von unten” gerädert

Es folgte die Räderung „von unten“. Zunächst wurden ihm die Knöchel, dann Schienbeine, Knie, Hüfte und schließlich die Schultern zerstoßen. Die vergleichsweise „mildere“ Variante fing am Kopf und an der Brust an, weshalb das Opfer schneller von seinem Leid befreit wurde.

Nicht so der Mordmichel: “Von seinen furchtbaren Qualen ward der Unglückselige erst dann erlöst, als ihm der Scharfrichter mit einem letzten Streiche den Kopf vom Rumpfe trennte.” Sein Haupt wurde auf eine hohe Stange gespießt und am Galgen aufgestellt – “und das schauerliche Drama war beendet”.

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